Boots-Steg

Mein heutiges Titelbild zeigt eine nicht unbedingt alltägliche Konstruktion, die man in gewisser Weise – wenn auch nicht ganz in der gewohnten Bedeutung – wohl als Boots-Steg bezeichnen könnte. 😉 Jedenfalls möchte ich das eigen-artige Bild samt einigen „Hintergedanken“ in Ullis (Café Weltenall) Blogparade Boote und Schiffe einreihen. Denn zwischen Booten/Schiffen und Stegen/Brücken bestehen doch vielfältige Zusammenhänge.

In Norwegen, wo auch das Titelbild entstanden ist, wurden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche ganzjährig bewohnte Inseln (und davon gibt es jede Menge) durch Brücken mit dem Festland verbunden. In den meisten Fällen sind dadurch die zuvor für die Verbindung zwischen Insel und Festland unentbehrlichen Fährschiffe verschwunden. In gewisser Weise sind Brücken und Schiffe dadurch fast so etwas wie Erzfeinde geworden. Wo die eine auftaucht, hat das andere ausgedient. Irgendwie ist es bemerkenswert, wie die Inselbewohner dadurch mobiler werden, dass eine (meist) starre Brückenkonstruktion die bisherige mobile Einrichtung (Fähre) ersetzt.

Die Beziehung zwischen Schiffen und Brücken ist aber in vielfacher Weise durchaus konstruktiv. Bei einer Vielzahl von Schiffen ist beispielsweise die Kommandobrücke von essentieller Bedeutung. Auch Einrichtungen wie Anlegebrücken, Landungsbrücken, Landungsstege oder Bootsstege sind ja fraglos ausgesprochen nützlich.

Auch eine konstruktive Beziehung liegt der eigenwilligen Konstruktion auf dem Titelbild zugrunde. Hier war die Brücke zuerst da. [Streng genommen ist es ja eigentlich eher ein Steg als eine Brücke. Ebenso streng genommen ist ein Steg allerdings auch eine Brücke.] Jedenfalls war da zunächst einfach ein Brücke, die auch keine Fährschiffe verdrängt hat. Irgendwann ist nun aber ein Teil der Brücke eingestürzt. Und jemand hat die so entstandene Lücke kurzerhand mit einem ausgedienten Boot geschlossen. Eine eigenwillige Symbiose als „Boots-Steg“ der besonderen Art hat den beiden einige zusätzliche Lebensjahre geschenkt. Auf diesem Bild hier ist allerdings der Verfall weiter fortgeschritten. Brücke und Boot, die sich etliche Jahre auf originelle Weise ergänzt haben, indem das Boot die Lücke in der Brücke überbrückt hat, gehen nun gemeinsam unter. Das hat für mich etwas Poetisches und verleiht dem Bild eine Schönheit, die vielleicht erst auf den zweiten Blick erkennbar ist.


Für diesen Beitrag habe ich ein recht umfangreiches Klangbild ausgewählt. Obwohl die Weltmeere die verschiedenen Küstenregionen zu trennen scheinen, schaffen sie ganz im Gegenteil (Schiffen sei Dank) eine intensive Verbindung zwischen Völkern und Kulturen. Und Musik wiederum kann ja auch eine Brücke zwischen Menschen ganz unterschiedlicher Provenienz bilden. Also passt alles wunderbar zusammen.
[Übrigens möge man sich durch die Musik von Manuel de Falla im Vorspann nicht täuschen lassen – die hier dargebotene Musik ist schon „etwas älter“.]

Klangbild:
Mare Adriaticum

Jordi Savall • Viola da Gamba, Vielle, Rubab
Driss El Maloumi • Oud
Dimitri Psonis • Santur, Guitarra Morisca
Hakan Güngör • Kanun
Pedro Estevan • Perkussion  

13 Gedanken zu “Boots-Steg

  1. gkazakou sagt:

    Welch schöne Symbiose! Statt Konkurrenz Zusammenhalten „bis das der Tod uns scheide“. Danke, Random, für deinen tiefsinnigen Beitrag. Die Meere sollten – wie es ja früher oft war – Verbindung schaffen anstatt Grenzen aufzurichten. Die Ägäis zB war ein ungetrennter Lebensraum, und die Ostsee ist es jetzt fast wieder, nachdem sie lange unüberbrückbar schien . (Die Musik für später).

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    1. Random Randomsen sagt:

      Lieben Dank für dein feines Echo. 🙂 Ja, das fand ich eben auch sehr berührend. Ich habe diesen „Boots-Steg“ noch benutzt, als er durch diese Symbiose noch begehbar war. Allerdings habe ich keine Bilder aus jener Zeit, weil ich erst seit relativ kurzer Zeit fotografiere. :/
      Die Meere sind ihrem Wesen nach verbindend. Das sehe ich auch so. Mir gefällt das Wort vom „offenen Meer“ – dass man eben übers offene Meer in viele Weltgegenden gelangen kann. So waren die Seewege zwar immer auch Handelswege – aber eben viel mehr als das. Das Meer führte zu echtem Austausch zu Verbundenheit auf menschlicher Ebene. Davon gibt es heute noch viele Zeugen (nicht nur aber auch in Musik und Sprache). Durch die vielfältigen Verbindungen, die es ermöglicht, ist das Meer immer auch ein „Mehr“. Wird dieses „Mehr“ aber nur noch auf die Eigeninteressen weniger Macht- und Geldmenschen reduziert, macht es uns ärmer.

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  2. Ulli sagt:

    Lieber Random,
    mit deinem Beitrag zur Blogparade machst du mir und bestimmt auch den Leser *innen, ob hier oder dort, eine sehr große Freude. Brücken bauen ist ja erst einmal ein schöner Gedanke und ich baue sie gerne zwischen unterschiedlichen Menschen (wenn sie es denn zulassen können), aber ich baue auch in meinen Fotomontagen Brücken zwischen „Dingen“, die auf den ersten Blick nichts oder wenig miteinander zu tun haben. Ich mag aber auch Fähren in jeglicher Form, meine ersten Reisen als junges Ding führten mich trampender Weise nach Dänemark (die erste Reise) und dann nach Norwegen (gleich dreimal hintereinander, ach ich könnte gerade den Rucksack packen…), ich denke an die vielen kleinen und großen Fähren, ohne sie wäre an manchen Stellen kein Weiterkommen gewesen, sie nun als verschwunden zu wissen ist schade, ja! Ein Boot als Brückenstück ist ungewöhnlich und originell, nur schade (noch einmal), dass sie nun mteinander untergehen werden, aber nun, Leben ist Vergänglichkeit, sind alte Brücken, neue Brücken, sind Schiffe, Boote und Wracks –
    Deine eingestellte Musik läuft und ich lasse mich von ihr durch diesen strahlend blauen Morgen tragen.
    Hab vielen herzlichen Dank für alles. Liebe Grüße, Ulli
    Deinen Beitrag habe ich nun verlinkt, er zeigt sich beim übernächsten Beitrag der Bolgparade, die so an Fahrt aufgenommen hat, dass ich schauen muss nicht zu viele Links einzustellen, weil dies vielleicht die Leser *innen sonst überfordert?!

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    1. Random Randomsen sagt:

      Herzlichen Dank, liebe Ulli, für deine erfreute und erfreuliche Resonanz. 🙂
      Ja, Brücken bauen ist so oder so ein schöner Gedanke. Auch die Fährschiffe bilden ja letztlich eine Brücke. Und so ist die „Konkurrenz“ zwischen Fähre und fixer Brückenkonstruktion letztlich einfach eine Frage der Form. Jede hat ihre Vor- und auch Nachteile (wobei die Meinungen darüber oft differieren). Aus praktischen Gründen werden auch zahlreiche Fährverbindungen bestimmt noch langfristig bestehen bleiben. Dennoch ist es ein Faktum, dass die Fähren zusehends das Nachsehen haben. Umso mehr freute mich das konstruktiv-friedliche Miteinander beim „Boots-Steg“. Die Entstehung und der Untergang dieser reizvollen Symbiose sind wohl Teil einer längeren Geschichte. Offensichtlich wollte seit geraumer Zeit niemand den Aufwand für den Unterhalt des Steges übernehmen. Und jemand hat dem fortschreitenden Verfall mit einem originellen Einfall ein Schnippchen geschlagen. Zumindest vorübergehend. Die Schönheit dieser Idee zählt für mich dabei noch mehr als der praktische Nutzen.
      Die Musik zum Beitrag hatte ich eigentlich bereits für einen eigenen Post vorgesehen. Aber sie passt hier so wunderbar (und auch generell zum Thema „Boote und Schiffe“) weil hier so schön zu hören ist, welche Befruchtung und Bereicherung dank den Seewegen möglich ist. 🙂
      [Beim Verlinken entspricht es übrigens auch meiner Erfahrung – zu viel auf einmal wirkt kontraproduktiv.]

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  3. PPawlo sagt:

    Es freut mich sehr, dass du nun auch mit im Boot sitzt! 🙂
    Und das mit einem so schönen Beitrag! Ja, Fähre, Steg und Brücke sind hier ganz eigen-artig verknüpft!
    Was die Musik angeht, habe ich sie noch nicht ganz gehört, aber ich bin dir sehr dankbar, dass Manuel de Falla auf diese Weise wieder für mich auftaucht! Inzwischen weiß ich wieder, dass nicht nur sein „La Vida breve“ mich in meinen Studienjahren betört hat! Wieder ein weites Land zum Erforschen und Wiederentdecken!!! Und diese Musik hier birgt bereits diesen Zauber in sich! Hab Dank! 🎸

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    1. Random Randomsen sagt:

      Lieben Dank für dein so positives und erfreuliches Echo. 🙂
      Zum Thema „Manuel de Falla“ habe ich noch eine besondere Empfehlung. Paco de Lucia hat ein meisterhaftes Album mit eigenen Arrangements einiger Stücke von de Falla aufgenommen. Hier zwei feine Kostproben:

      Mit einem klangverzauberten Abendgruß 🐻

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      1. PPawlo sagt:

        Heute sind gleich 3 CDs mit Paco de Lucia angekommen! (In der Hinsicht bin ich nicht umweltfreundlich. Amazon möchte ich doch nicht missen!) Deine beiden vorgeschlagenen Stücke sind dabei! Und ich kann’s mir auch als mp3 runterladen! So gut hat’s mir gefallen!
        Fügst du bei meinem ersten Kommentar bitte noch bei Enchanté als letzten Buchstaben ein zweites e dran. Ich bin eindeutig weiblich! 😀 Nun brauch ich etwas Zeit zum Reinhören! Bin gespannt! Beim Kochen war’s schon mal faszinierend.

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        1. Random Randomsen sagt:

          Das klingt mir wie Musik. 🙂 Paco war in verschiedener Hinsicht ein Musiker der Extraklasse, der sich auch unaufhörlich weiter entwickelt hat. Dank seinen Aufnahmen hat er uns ein wertvolles musikalisches Erbe von großer Bandbreite hinterlassen.

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