Bild Nr. 2 aus Myriades aktueller Impulswerkstatt…
…erinnert mich an eine Reihe von Brandanschlägen, die in Norwegen gegen Ende des 20. Jahrhunderts auf Kirchen verübt wurden. Dabei wurde unter anderem eine Stabkirche vollständig zerstört. Diese Kirche wurde inzwischen auf authentische Weise wieder aufgebaut. Bemerkenswert an der Geschichte ist, dass diese Kirche im 19. Jahrhundert davor bewahrt wurde, Brennholz zu werden. Und zwar buchstäblich. Die Kirche sollte einem neuen Kirchenbau weichen und deshalb abgerissen und als Brennholz verkauft werden. Ein Konsul aus Bergen sorgte allerdings dafür, dass die Kirche fachgerecht abgebaut und an einem neuen Standort wieder aufgebaut wurde. Es handelte sich dabei um eine Kirche, die wahrscheinlich im frühen 13. Jahrhundert errichtet worden war. Damit wäre sie in der Blütezeit des norwegischen Stabkirchenbaus entstanden. Die ersten norwegischen Stabkirchen dürften bereits im 11. Jahrhundert errichtet worden sein. Die meisten dieser Kirchen entstanden aber zwischen 1150 und 1350. Wie viele Stabkirchen es in Norwegen je gegeben hat, weiß man nicht genau. Expertenschätzungen liegen zwischen ca. 1.000 bis gegen 2.000 Kirchen. Man geht davon aus, dass es in fast jeder Siedlung eine Stabkirche gab. Zur Reformationszeit waren die Stabkirchen immer noch häufig, aber bereits deutlich auf dem absteigenden Ast. Heute gibt es in Norwegen noch etwas mehr als 30 Stabkirchen. In Schweden ist nur eine einzige mittelalterliche Stabkirche noch erhalten geblieben und in Dänemark gibt es keine mehr.
Die Musik, die ich zum Bild ausgewählt habe, ist unter dem Namen „Ingen vinner frem til den evige ro“ bekannt. Unter diesem Titel findet man sie im norwegischen Kirchengesangbuch. Der ursprüngliche schwedische Text aus dem Jahr 1798 stammt von Lars Linderot. Die heute gebräuchliche norwegische Fassung wird mit einer traditionellen Melodie aus Hallingdal gesungen. Urheber und Zeitpunkt der Entstehung dieser Melodie sind nicht bekannt. Auch weiß man nicht, in welchem Zusammenhang diese Melodie früher verwendet wurde, ob sie vielleicht zu einem weltlichen Lied gehörte oder (möglicherweise auch mit etwas anderem Rhythmus) als Instrumentalstück gespielt wurde. Fest steht aber, dass durch die kirchliche Verwendung zweierlei mit dieser Melodie geschah: sie wurde (wenn auch vielleicht mit gewissen Anpassungen) schriftlich festgehalten und blieb damit der Nachwelt erhalten. Und sie wurde im ganzen Land bekannt.
Aus einer Fülle spannender Aufnahmen habe ich, um den Beitrag nicht zu überfrachten, lediglich zwei ausgewählt. Die erste gibt einen Eindruck davon, wie die Melodie in „alten Zeiten“ geklungen haben könnte. Und die zweite bietet einen Einblick in das musikalische Potenzial, das in dieser alten Melodei steckt.
Variasjoner over den norske folketone
„Ingen vinner frem til den evige ro“ (Op. 2)
Ludvig Nielsen
Titelbild © Random Randomsen
Denkmalschutz und behutsame architektonische Fortentwicklung des Tradierten in der Musik.
Wie im Bereich des hochbaulichen und archäologischen Denkmalschutz ist es mit dem allgemeinen Bewusstsein dafür nicht so weit her. Schön, dass das bei dir anders ist.
Liebe Grüße an dich! 🙂
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Lieben Dank für deine anerkennende Resonanz. 🙂
Beide Themen können sehr faszinierend sein, und es gibt da auch erstaunlich (?) viele Parallelen. Die von dir in Bezug auf die Musik angesprochene behutsame architektonische Fortentwicklung hat es teilweise auch bei den Stabkirchen gegeben, so dass man teilweise von organischem Wachstum zu sprechen geneigt ist. Generell liegt zwar vieles im Dunkeln. Aber in Einzelfällen lassen sich die Entwicklungsschritte nachvollziehen.
Mit einem herzlichen Nachmittagsgruß 🐻
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Abgesehen vom wünschenswerten Denkmalschutz haben Stabkirchen schon eine sehr eigene Atmosphäre und einen nicht unbedingt angenehmen aber charakteristischen Geruch.
Genial der Bogen von den verbrannten Holzstücken, die aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Kirchentür gehört haben und dem Musikstück! Mir gefällt ja die gesungene Version sehr gut, weil sie mich – warum auch immer – an weite Schneelandschaften erinnert.
Herzlichen Dank für den stimmungsvollen Beitrag, lieber Random !
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Lieben Dank für deine harmonische Resonanz. 🙂
Ja, die Atmosphäre ist besonders und für mein Empfinden angenehm (was bei sehr alten Gebäuden durchaus nicht immer der Fall ist).
Der Bogen zu dieser Musik erschien mir naheliegend, weil es da etliche Parallelen und Querbezüge gibt. Wobei das Thema eigentlich fast zu groß ist für einen einzelnen Beitrag.
Was die Melodie in ihrem „früheren Leben“ für einen Hintergrund hatte, weiß man nicht – aber sie könnte durchaus zu einem Winterlied gehört haben. Von der Stimmung her würde es passen.
Mit einem herzlichen Nachmittagsgruß 🐻
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Vor langer Zeit habe ich einige Stabkirchen in Norwegen gesehen. Sie haben mir stets sehr gefallen! Schade, dass es nur noch so wenige davon gibt! Es scheint eine nordische Frauenstimme zu geben . So natürlich-klar.Oder ist’s auch die Sprache, die so schön klingt!? Beide Versionen gefallen mir gut. Die hast du ja kontrastreich ausgesucht! Zuerst eine schöne Frauenstimme und als Zweites eine Orgel, an der der Organist alle Register zieht. Mal raumgreifend in dieHöhe, die Tiefe und Weiten, mal gewaltig laut,und dann auch leise-sanft etc. Da bietest du einen schönen Ausflug daheim bei verrregnet-stürmischem Wetter! Mit herzlichem Gruß. Petra
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Lieben Dank für deine ausflugsfreudige Resonanz. 🙂
Ja, leider hat man spät den besonderen Wert dieser Bauwerke erkannt. Es mag sicher auch vieles gegeben haben, worum es kaum schade ist. 😉 Aber zweifellos ist auch viel Wertvolles verloren gegangen.
Diese natürliche Klarheit scheint wohl auch durch die nordische Gesangstradition begünstigt zu werden. Man begegnet ihr bei nordischen Frauenstimmen auffallend oft.
Die Orgelvariationen zeigen sehr schön, was mit diesem musikalischen Ausgangsmaterial möglich ist. Es dürfte auch in der Natur der Sache liegen, dass sie in ihrer „vorkirchlichen Form“ durchaus ein variationsreiches Dasein führte.
Mit einem herzlichen Nachmittagsgruß 🐻
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Oh, da fallen mir sofort die schönen Bilder von Dirk ein – hier zu sehen:
https://www.picturesofnorway.com/bauwerke/
..grüßt Syntaxia (leider noch immer Lärm geplagt und keine Musik hören könnend…)
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Das ist freilich ungelegen, wenn die (obgleich nützlichen) Störenfriede so lange aktiv bleiben.
Die Bilder sind großartig – ganz lieben Dank für den Hinweis. 🙂
Mit einem herzlichen Sonntagabendgruß 🐻
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