Kleine Nachtmusik • Klaviziterium

Für die heutige Kleine Nachtmusik bittet Ryan Layne Whitney uns in seine gute Stube. Dort hat er ein außergewöhnlich ungewöhnliches 😉 Instrument stehen: Ein Lautenwerk Klaviziterium aus der Werkstatt von Steven Sørli. Und dieses Instrument hat die sympathische Eigenschaft, genau so interessant zu klingen wie sein Name. 🙂

Da die Formulierung „interessant klingen“ sich nicht durch besondere Präzision auszeichnet, mag es eine gute Idee sein, anhörlich zu belauschen was nicht hinreichend anschaulich beschrieben wurde. Der freundliche Ryan Layne Whitney hat etliche Videos aufgenommen, in denen das Wunderwerk in Ton und Bild zu bestaunen ist. 


Jean Philippe Rameau • L’Egyptienne


Carlos Seixas • Sonate Nr. XVI in g-moll


Sehr einfach ausgedrückt ist das Klaviziterium ein „lotrechtes Cembalo“. Auch das Klaviziterium ist also, wenn man so will, ein „betastetes Zupfinstrument“. Während die saitenzupfenden Kiele aber beim Cembalo durch die Schwerkraft wieder in ihre Ausgangsposition zurückkehren, braucht es dazu beim Klaviziterium technische Tricks (z.B. Federn). Das macht den Instrumentenbau aufwendiger und zugleich leidet – je nach technischer Lösung – die Spielbarkeit mehr oder weniger. Als großer Vorteil des Klaviziteriums wird sein geringer Platzbedarf* angesehen. Eine wichtige Besonderheit des Klaviziteriums ist aber auch, dass seine Schallwellen der Zuhörerschaft auf direktem Weg zu Ohren kommen.


Orlando Gibbons • Galliard MB22


Die bisherigen Beispiele dürften eines deutlich gemacht haben: dieses Klavizidingsda klingt nicht wirklich wie ein Cembalo. Das hat seinen besonderen Grund. Wie in der Einleitung erwähnt, spielt Ryan Layne Whitney hier auf einem Lautenwerk Klaviziterium. Im Gegensatz zu einem stahlbesaiteten Cembalo oder Klaviziterium ist diese spezielle Variante des Klaviziteriums mit Darmsaiten ausgestattet. In der Praxis bestehen diese Darmsaiten heute allerdings meist aus Kunststoffen. Beim Sørli Lautenwerk Klaviziterium handelt es sich vorwiegend um Saiten aus Fluorkarbon und, in den Bässen, aus kupferumsponnenem Nylon. 


Domenico Scarlatti • Sonate K. 260 in G-Dur


Johann Sebastian Bach • Präludium & Fuge in d-moll BWV 851 (WTK I)

 


* Das von Ryan Layne Whitney hier gespielte Lautenwerk Klaviziterium beansprucht – bei über 2m Höhe – nur eine Fläche von ca. 45 * 90 cm. 

39 Gedanken zu “Kleine Nachtmusik • Klaviziterium

    1. Random Randomsen sagt:

      Ha! Da hat der unverschämte Spamfilter doch tatsächlich diesen Kommentar gefressen. Wie gut, wenn man das hin und wieder kontrolliert.
      Ja, das stimmt. Zumindest in der hier gespielten Form des Lautenwerk Klaviziteriums ist der Klang deutlich weicher als beim Cembalo. Dadurch hat es, wie ich finde, einen ganz besonderen Charme. 🙂

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        1. Random Randomsen sagt:

          Es ist ja fast immer nichts in diesem Ordner. Aber ich habe bereits zwei Mal echte Epidemien erlebt – da sind die Kommentare reihenweise als Spam abserviert worden. Seitdem ist mein Grundmisstrauen gewachsen und ich kontrolliere den Ordner häufiger.

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  1. sternenkind11 sagt:

    Da hat mich doch schon Dein Baum-Foto völlig beeindruckt, da kommst Du gleich im Anschluss mit Deinem Beitrag über’s Klavizidingsda 😉 „ums Eck“ und einer so etwas von detaillierten Beschreibung, dass ich mir immer noch die Nase reiben könnte (wie Wickie ;-)) um zu verstehen, wie das nun technisch möglich ist ;-). Da habe ich mich spontan entschieden, mit einfach dem Lauschen hinzugeben :-). Der Schwenk auf die ganze Höhe des Instruments ist ja auch klasse! Liebsten Dank für diesen hochspannenden und wundervoll lauschigen Beitrag! 💫

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    1. Random Randomsen sagt:

      Lieben Dank für deine lauschberauschte Resonanz. 🙂
      Zunächst wollte ich als Titelbild ein Klaviziterium zeigen. Aber das Instrument ist ja in den Videos schön zu erkennen. Das Baum-Bild fand ich stimmungsvoll und die filigranen Verästelungen im leichten Nebel erschienen mir als passendes optisches Pendant zum delikaten Instrumentenklang.
      Für einmal habe ich der Nachtmusik einen erläuternden Text beigesellt. Denn das Klaviziterium ist doch ein seltenes Tier – und in der Lautenwerk Version ist es noch spezieller. Allerdings lässt sich das Wesentliche so oder so am besten erlauschen. 🙂

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      1. sternenkind11 sagt:

        Das Baumbild ist wunderschön und lädt mit seiner meditativ-geheimnisvollen Ausstrahlung zum Träumen ein. Ebenso die Klangbilder. Sehr außergewöhnlich. Ich durfte zum ersten Mal dem Klang des Klaviziteriums lauschen. Ich wusste bis zu Deinem Beitrag nicht einmal von der Existenz dieses Instruments. Ich wünsche Dir einen wohlklingenden Tag und sende sonnige Grüße 🙂

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        1. Random Randomsen sagt:

          Vielen Dank. Es freut mich, dass dir das Baumbild gefällt. Ich glaube zu wissen, dass es sich um zwei Espen handelt. Deren Stämme sind nur wenige Meter voneinander entfernt, so dass sie gleichsam eine einzige gigantische Krone bilden. Ausserdem haben Dämmerung und ein dünnfloriger Nebel zur Stimmung beigetragen.
          Dieses Lautenwerk Klaviziterium ist ein feines Instrument mit ausgesprochen delikatem Klang. Und es ist sehr erfreulich, dass uns Mr. Whitney an seiner Freude an exklusiven „Clavieren“ teilhaben lässt.

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          1. sternenkind11 sagt:

            Wie schön :-)! Das sind wohl noch zwei Bäume, die sich umeinander „kümmern“. Der Klang des Klaviziteriums ist so weich und warm. Es eine Freude Herrn Whitney zu lauschen und solch Klangsahnehäubchen von Dir kredenzt zu bekommen :-). Guats Nächtle ⭐

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            1. Random Randomsen sagt:

              Ja, man bekommt den Eindruck eines im Takt der Jahreszeiten tanzenden Paares. Und unter der Erde dürften sie ohnehin vereint sein. Bei einem Abstand von ca. 3 m und einer Höhe von geschätzt 18-20 m kann das gar nicht anders sein. 🙂
              Mit einem sonnigen Nachmittagsgruß 🐻

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            2. sternenkind11 sagt:

              Das klingt stark und zart zugleich. So als würde jeder für sich stark verwurzelt sein und aus dieser Verwurzelung sind sie füreinander da, vereinen sich, tanzen im Wind 🙂

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            3. sternenkind11 sagt:

              Die Ballkleider klingen in der tänzerischen Bewegung sicher zauberhaft. Meine zwei Lieblingsbirken stehen ähnlich nahe zusammen, wie Deine beiden Liebenden. Es ist so wohltuend in ihrer Mitte zu sitzen und ihrem Rascheln und Flüstern im Spiel mit dem Wind zu lauschen…. 🙂 Zartraschelnde Grüße zur guten Nacht ⭐⭐⭐

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            4. sternenkind11 sagt:

              Da habe ich Dir gestern eine so schöne Antwort geschrieben und wordpress hat sie einfach verschluckt… 😮 Meine zwei Lieblingsbirken stehen ähnlich nah beieinander wie die beiden Espen. Es ist so wohltuend in ihrer Mitte zu sitzen und ihrem Rascheln und Flüstern zu lauschen, wenn sie gemeinsam im Winde tanzen. 🙂

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            5. Random Randomsen sagt:

              Da hat der niederträchtige Spamfilter gleich zweimal den Kommentar „gefressen“. Zum Glück schaue ich da relativ häufig nach.
              Vielleicht geht von solchen Baumpaaren auch eine besondere Energie aus, die wir intuitiv als anziehend und einladend empfinden?

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            6. sternenkind11 sagt:

              Der Niederträchtige ;-), zum Glück konntest Du die Kommentare aus seinem gefräßigen Schlund befreien :-)! Ich empfinde das schon so, dass eine besondere Energie von ihnen ausgeht. „Meine“ beiden haben eine ganz liebevolle, fast elterliche Energie. Ich fühle mich in ihrer Mitte völlig geborgen. Da sind 10 Minuten sitzen, spüren, lauschen, atmen ausreichend und ich fühle mich wieder bei mir, egal was vorher war 🙂

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            7. sternenkind11 sagt:

              Das kann ich nur bestätigen. Es ist wie bei einer Freundschaft – wenn man sie respektvoll pflegt, wird sie tiefer. Lieben Dank für den Link zu einem Deiner Lieblingsbäume und der bewegenden Geschichte. Der Baum strahlt eine ganz besondere Kraft aus. Und Würde. Deine Geschichte habe ich mir übrigens schon vor einiger Zeit zu Gemüte geführt 😉

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            8. Random Randomsen sagt:

              Möglicherweise habe ich dir bereits früher mal den Link zu diesem speziellen „Titelbildbaum“ geschickt. Ich war mir allerdings nicht sicher… 😉
              Dieser Baum hat einige Widrigkeiten überstanden. Dass Menschen ihm zugesetzt haben, ist deutlich zu erkennen. Möglicherweise waren vor Jahrzehnten auch Elche am Werk. Seine Ausstrahlung ist zwar kraftvoll, aber doch sehr sanft. 🙂

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            9. sternenkind11 sagt:

              Oh, das kann gut möglich sein ;-). Es schadet allerdings nicht, diesen Hinweis zu wiederholen :-). Es war mir eine Wohltat Deinen Baum nochmals zu betrachten und seine Ausstrahlung zu fühlen. Trotz – oder vielleicht wegen großer Verletzungen – sanft und gütig in seinem tiefsten Wesen. Daraus entsteht oftmals die stabilste Kraft… 💫

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            10. Random Randomsen sagt:

              Es ist halt auch das bisher einzige veröffentlichte Bild dieses Baums – dabei habe ich ganz viele Bilder aus verschiedenen Perspektiven gemacht. 🙂
              Ich kann nicht sagen, was zu dieser speziellen Ausstrahlung geführt hat – dieser Baum ist, wie er ist, sehr selbstverständlich und natürlich. 🙂

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            11. sternenkind11 sagt:

              Vielleicht ergibt es sich ja einmal und Du möchtest uns auf einen kleinen Wandelgang durch die Perspektiven des Baumes führen :-). Ich würde mich sehr freuen! Die Ursache für diese einzigartige Ausstrahlung liegt wohl außerhalb der begreifbaren und in Worte zu packenden Ebenen :-). 🌳 💚

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            12. Random Randomsen sagt:

              Ja, das ist eine glänzende Idee. 🙂 Da muss ich allerdings meinen chronologisch sortierten Bildereintopf zunächst näher unter die Lupe nehmen – denn die Bilder sind bei ganz unterschiedlichen Gelegenheiten entstanden.
              Mir fällt hier eine Stelle aus Richard Wagners „Parsifal“ ein. Parsifal fragt: „Was ist der Gral?“ Und Gurnemanz antwortet. „Das sagt sich nicht. Doch bist du selbst zu ihm erkoren, bleibt dir die Antwort unverloren.“ Das trifft den Kern dieser Ausstrahlung – sie ist erfahrbar, aber nicht ’sinnvoll beredbar‘.

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  2. Ulrike Sokul sagt:

    Lieben Dank für das hörbare und sichtbare Vertrautmachen mit diesem interessanten Instrument „Lautenwerk Klaviziterium“, von dem ich noch nie zuvor gehört habe.
    Ich genieße Deine musikalischen Ausflüge und heiter-informativen Erläuterungen sehr, so kommt mir doch einiges zu Ohren, das ich sonst verpasst hätte.
    Harmonische Grüße 🙂

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    1. Random Randomsen sagt:

      Herzlichen Dank für deinen sympathisch resonierenden Kommentar. Der von mir beanspruchte Netzplatz soll ja so etwas wie eine Arche sein, die erlesene Klangweltswesen davor bewahrt, in populärkulturellem Gedöns und anderem Alltagslärm unterzugehen. Der heutige Beitrag ist einer besonders raren Spezies gewidmet, die aber dennoch weit mehr ist als ein exotisches Klangmonstrum.
      Mit einem klangvoll vernetzten Abendgruß 🐻

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  3. finbarsgift sagt:

    Wundervolle Klänge eines Meisters der Töne…

    Und ist ein Stück vom so sehr verehrten Scarlatti dabei, dann schlägt mein Herz gleich noch höher…

    Dankeschön für die feine Präsentation dieses interessanten Interpreten auf einem nicht alltäglichen Instrument…

    Musikalische Nachtgrüßle vom Lu

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    1. Random Randomsen sagt:

      Lieben Dank für deine harmonische Resonanz. 🙂 Ryan Layne Whitney ist offensichtlich ein Liebhaber der besonderen Claviere. Diese Nachtmusik sollte exklusiv dem Klaviziterium gewidmet sein. Aber Lanes Scarlatti auf dem Clavichord ist auch sehr hörens- und sehenswert:

      Mit einem harmonischen Nachmittagsgruß 🐻

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        1. Random Randomsen sagt:

          Lieben Dank für diesen Link zu einer mir noch unbekannten Interpretation. 🙂
          Von dieser Sonate gibt es erfreulich viele Interpretationsvergleichsmöglichkeiten. Interessant ist dabei, das für uns heute die Version auf dem zu Scarlattis Zeit vorhandenen Clavichord exotischer klingt als die Versionen auf dem anno dunnemals noch unerfundenen Konzertflügel. Wir genießen ein Privileg, das dem Urheber dieser Werke nicht vergönnt war. Eine der schönen Seiten unseres heutigen Daseins. 🙂
          Mit einem sonnigen Nachmittagsgruß 🐻

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