Kinder im Aufwind
Hier folgt mein zweiter Beitrag im Rahmen des Projektes Kinder im Aufwind. Da ich mit der Gestaltung eines Titelbildes meine bildkünstlerischen Möglichkeiten ausgereizt habe 😉 , werde ich mich beim Inhalt dieses Beitrags in vertrauteren Gefilden – also vorwiegend in der musikalischen Welt – bewegen.
Die Kombination von Text und Musik kann Dinge besonders eindrücklich ausdrücken. Die Botschaft dringt tiefer ins Herz und bleibt nachhaltiger in Erinnerung, als wenn man nur ganz alltäglich über ein Thema spricht. Für diesen Beitrag habe ich ein Musikstück ausgegraben, das vor über 30 Jahren erschienen ist – aber mit einem Thema, das unverändert aktuell ist:
Hin und wieder begegnen wir Menschen, die zu mögen ein nahezu unvollbringbares Kunststück ist. Ihre Handlungen, ihre Ausdrucksweise, ihre ganz Art scheinen perfekt für ein einziges Vorhaben designt: Eine Pest und Plage für ihr Umfeld zu sein. Aber auch diese Menschen waren einmal Kinder. Und ihre unausstehliche Art hat – auch wenn dies natürlich kein Freipass für unbegrenzte Unleidlichkeit ist – möglicherweise eben in der Kindheit ihre Wurzeln. Der Song, den ich hier ausgegraben habe, erzählt genau davon. Und er mag uns auch daran erinnern, dass es nie zu spät ist, den Hunger nach Liebe und Zuwendung zu stillen (auch wenn früher meist besser ist).
Mit gutem Grund soll der ausgewählte Song bei diesem Beitrag das letzte Wort haben. Deshalb folgen hier zunächst die Links zu den anderen Beiträgen zu Kinder im Aufwind – und vorab eine kurze Erinnerung an den Hintergrund des Projektes.
Das Projekt…
Die Künstlerin Petra Pawlofsky hat auf ihrer Website da sein im Netz ein sehr spannendes und wichtiges Projekt mit dem Titel «Kinder im Aufwind» gestartet. Worum es dabei geht, lasse ich sie am besten gleich selbst erzählen:
«Fragt Ihr Euch auch manchmal, wie unsere Kinder all das verkraften, was an Nachrichten auf sie einstürzt? Wie sie mit dem anspruchsvollem Leistungsdruck, der Hetze im Alltag, den Medien, den stumpfen Blicken vieler Erwachsener um sie herum zurechtkommen? Wie wir ihnen eine Basis geben können, gelassen, selbstsicher und hoffnungsvoll zu leben und in die Zukunft zu schauen? Eben im Aufwind zu bleiben…
Darum geht das Projekt, das ich heute starten möchte. Zum Thema gibt es nun bald eine Beitragsreihe von mir mit Gedanken, Zitaten, Erfahrungen und natürlich mit passenden Gemälden und digitaler Kunst.»
…und die bisherigen Beiträge
Petra Pawlofsky
https://pawlo.wordpress.com/2016/08/18/kinder-im-aufwindchildren-upwind/
https://pawlo.wordpress.com/2016/08/22/liebevolle-wegbegleiteraffectionate-company/#comment-1432
Silvia Kling
https://wiedaslebenklingt.wordpress.com/2015/11/19/kinder-erfahren-und-eltern-sprechen/
https://sckling.wordpress.com/2016/08/22/schluesselerlebnis-kinder-im-aufwind-children-upwind/
Anne-Marit
Ein Kind • ungesehen, ungehört, unerhört
Für viele Menschen ist, wenn sie Eltern werden, eines sonnenklar: Die eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten treten ein beträchtliches Stück in den Hintergrund. Auch wenn Kinder nicht permanent die erste Geige spielen müssen – eine wichtige Rolle im Leben der Eltern ist ihnen gewiss. Nur, leider, manchmal sieht die Realität anders aus. Oder, um es mit Bertolt Brecht zu sagen: Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.
In dem 1984 erstmals aufgeführten Musical Chess begegnen wir einem Charakter, der (zumindest in der ursprünglichen Version) schlicht The American genannt wird. Ein brillanter Schachspieler. Die Bewunderung der Schachwelt ist ihm sicher. Aber menschlich eine Katastrophe. Die desaströsen Auftritte lassen im Verlauf der Musical-Handlung nicht auf sich warten. Ein arrogantes Arschloch. Basta. So soll dieser Charakter dem Publikum erscheinen. Und das tut er auch. Gründlich.
Und das ist ganz raffiniert eingefädelt. Die Geschichte ist an der folgenden Stelle des Musicals schon recht weit fortgeschritten. Die Sympathien des Publikums sind längst verteilt. Und die Zwiderwurzn ist da definitiv keine geeignete Zielscheibe.
Doch dann erzählt der Amerikaner…
…seine Geschichte…
Die erste auf CD erschienene Version mit Murray Head
Espen Grjotheim mit The Arctic Philharmonic unter der Leitung von Anders Eljas
Und noch eine ausdrucksstarke schwedische Version mit Anders Ekborg. Die Wortwahl des Textes (von Björn Ulvaeus, der auch bei der englischen Version mitwirkte) weicht in Details recht deutlich vom Original ab. Die erzählte Geschichte ist dennoch die gleiche.
Pity the Child
Text & Musik: Björn Ulvaeus • Tim Rice • Benny Andersson
When I was nine I learned survival
Taught myself not to care
I was my single good companion
Taking my comfort there
Up in my room I planned my conquests
On my own – never asked for a helping hand
No one would understand
I never asked the pair who fought below
Just in case they said „No.“
Pity the child who has ambition
Knows what he wants to do
Knows that he’ll never fit the system
Others expect him to
Pity the child who knew his parents
Saw their faults, saw their love die before his eyes
Pity the child that wise
He never asked „Did I cause your distress?“
Just in case they said „Yes.“
When I was twelve my father moved out
Left with a whimper – not with a shout
I didn’t miss him – he made it perfectly clear
I was a fool and probably queer
Fool that I was I thought this would bring
Those he had left closer together
She made her move the moment he crawled away
I was the last the woman told
She never let her bed get cold
Someone moved in – I shut my door
Someone to treat her just the same way as before.
I took the road of least resistance
I had my game to play
I had the skill, and more – the hunger
Easy to get away
Pity the child with no such weapons
No defence, no escape from the ties that bind
Always a step behind
I never called to tell her all I’d done
I was only her son!
Pity the child but not forever
Not if he stays that way
He can get all he ever wanted
If he’s prepared to pay
Pity instead the careless mother
What she missed
What she lost when she let me go
And I wonder does she know
I wouldn’t call. A crazy thing to do
Just in case she said „Who?“
und wieder etwas dazugelernt….Abba war nie so mein Ding…..aber dass Herr ABBA so schöne Musik machen kann und so einen wunderbaren Text dazu…ich muss das nochmal überdenken, vielleicht ist mir nur nicht aufgefallen, wie gut sie waren 😉 LG Ann
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Hehe. Das kommt mir bekannt vor. Jahrelang habe ich einen großen Bogen gemacht um alles, was auch nur entfernt nach ABBA riecht. Das Eurovision Song Contest Vorurteil hat ganze Arbeit geleistet. Dabei gibt es, vor allem auch von Björn & Benny in der Post-ABBA Periode, ganz phantastische Musik. Das wäre einen eigenen Beitrag wert. Für heute nur ein einziger Link, weil’s so wunderbar zum Thema Kinder im Aufwind passt:
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Ich habe so oft gelesen, dass es professionelle gute Musiker sind, aberdie Musik habe ich nie gehört…..und Abba ist mir einfach zu glatt…es wäre wirklich toll, wenn Du irgendwann Lust hättest, einen Beitrag zu schreiben. Mein Instinkt sagt mir, dass ich da was verpasst habe ;-)LG Ann
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Jedenfalls habe ich da etliche positive Überraschungen erlebt. Und ich denke schon, dass es bei passender Gelegenheit einen Beitrag dazu geben wird. 🙂
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ich freue mich darauf 😉
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Wunderbar, dass dieser beeindruckende Beitrag nun zum Projekt „Kinder im Aufwind“ zählt!
Er passt so gut dazu!! Und gerade auch zu den letzten Beiträgen von Sylvia und mir. Er untermauert alles und führt weiter…von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter…
Zwar geht das erste Video wieder nicht in Deutschland, aber das zweite ist einfach berauschend und macht voll betroffen!
Genug Gedankenstoff auch, weil es hier in dem Lied ja um 2 Arten von Kindern geht, The American, schon sehr bewusst in seiner Kindheit, was da alles um sich rum geschieht und stark genug, in gewissem Sinne für sich selbst zu sorgen, und er selbst bangt um die Kinder (aha, doch eine sympathische Seite an ihm!), die ins Messer laufen, sich blind den Gemeinheiten ihrer Eltern aussetzen und dabei kaputt untergehen.
Und das randomly verpackt wie immer… (für Neulinge : interessant-amüsant, wortspielerisch und tiefsinnig geschrieben)! Ein ganz, ganz großes Dankeschön für diesen faszinierenden Beitrag!!
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Ein ganz großes Dankeschön an dich für deine wunderbare Resonanz. Ein Beitrag mit diesem Song als Hauptthema – das war zunächst nur eine Idee im Hinterkopf. Aber nach den letzten Beiträgen von dir und Silvia war mir klar: Das gehört mit dazu – und zwar jetzt. 🙂
Ja, die von dir erwähnte Textstelle ist ganz bemerkenswert. Das sieht ganz nach der Handschrift von Björn Ulvaeus aus. Der Song ist ja innerhalb des Musicals schon überraschend, weil der „Unsympath“ plötzlich in ganz anderem Licht erscheint. Und dann noch dieser empathisch-mitfühlende Gedanke: Was ist mit jenen Kindern, die nichts Vergleichbares haben?
Wie du sagst – genug Gedankenstoff, fürwahr…
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Inzwischen habe ich mir auch das letzte Video angeschaut und ich finde den Unterschied zum Zweiten erstaunlich ! Beide Interpretationen sind für mich gleichermaßen faszinierend! Die erste kann ich besser ertragen, weil sie nicht ganz so an die Nieren geht und man dem Sänger so richtige Bösartigkeit gar nicht zutraut… Alles belibt im Bereich der Schönheit und ist gut auszuhalten. Im zweiten Video kann ich mir einen richtigen Bösewicht vorstellen, der die Bandbreite von großer Sensibilität bis zu dem Schmerz über das Erlebte überzeugend rüberbringt. Ganz packend finde ich, wie dieser vitale Mann sich ein Kissen schnappt, wie das kleine Kinder zum Trost tun.
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Ja, es ist – trotz überzeugendem Niveau in beiden Interpretationen – ein deutlicher Unterschied erkennbar. Die eine Version ist musikalisch hervorragend – und Musik und Text bleiben nicht ohne Wirkung. Dennoch erlebt man als Publikum eine Darbietung. Die andere Version ist so lebensnah dargestellt (eben auch mit vielsagenden Details, wie dem Kissen), dass man regelrecht in die Geschichte hineingezogen wird. Diese letztere Version finde ich geradezu erschütternd und nicht in jeder Verfassung auszuhalten.
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Ja, du bringst das auf den Punkt! Danke! 🙂
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Eine gute Entscheidung, das Video ganz ans Ende zu stellen.
Es wirkt nach. Bei mir recht lange, vermute ich.
Ein sehr, sehr guter Text und ein ebenso gutes Projekt.
Manchmal fällt mir nichts sinnvolles zu schreiben ein – so leider irgendwie heute. Ich höre mir das Lied in seinen Varianten noch mal an und sag einfach, danke fürs teilen.
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Herzlichen Dank für dein Feedback. 🙂 Eben, man kann hier gar nicht anders, als dem Song das letzte Wort zu lassen. Und es wirkt nach. Vor allem die Version von Anders Ekborg. Da habe ich dann jeweils bis auf weiteres Sendepause…
Tja, das kommt mir bekannt vor. Genau, wenn man besonders gerne etwas sagen möchte, bleiben die Worte aus (diese Mistviecher – wobei ich letzteres nie gedacht und schon gar nicht gesagt habe).
Übrigens: Vielleicht hast du ja Lust, den Kindern im Aufwind selber einen Beitrag zu widmen. Das kann gut ein „alter“ Artikel sein. Spontan würde ich „Wir sind vier“ für sehr geeignet halten.
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Ich schau es mir am Abend mal genauer an, im Prinzip aber natürlich sehr gerne.
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”Wir sind vier” fände ich ausgesprochen passend, weil es eine ganz besondere Familiengeschichte über eine längere Zeitlinie porträtiert. Aber du hast da vielleicht auch andere Ideen. Oder Lust auf einen neuen Text. Oder sowohl, als auch. Das Projekt ist ja nicht auf einen Beitrag limitiert. 🙂
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Der Text ist sehr berührend!
Diesen Satz: „[…] auch diese Menschen waren einmal Kinder […]“ denke ich mir tatsächlich öfter, wenn man – vor allem in der Großstadt – Menschen sieht, die irgendwann im Leben ihren Halt verloren haben und nun ganz unten angekommen sein dürften. Was ist da passiert? Was würde ihre Mutter denken, würde sie sie so sehen? Oder weiß sie es sogar und kann oder will nicht helfen? Auch diese Menschen haben als kleine Kinder wohl einmal stolz ihre ersten Schritte gemacht, Fremde angelacht, weil sie noch nichts Böses ahnten …
Dieses Musical möchte ich mir unbedingt einmal ansehen!
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Vielen Dank für dein Feedback. 🙂
Diese Frage sollten wir uns wirklich öfters stellen: Was ist da passiert? Das hilft, auch Menschen, die auf uns zunächst keinen vorteilhaften Eindruck machen, in einem anderen Licht zu sehen. Und es schärft auch den Blick dafür, dass das, was JETZT passiert – auch in unserem Umfeld – Auswirkungen auf die Zukunft hat.
Das Musical „Chess“ kann ich dir nur wärmstens empfehlen. 🙂
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